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Konfrontiert mit den Herausforderungen des Heranwachsens hat sich so mancher vielleicht gewünscht, seine Probleme einfach mit Superkräften zu beseitigen. Masks: A New Generation greift diese Idee auf und lässt die Spieler in die Rolle von Teeny-Helden schlüpfen. Hat das Spiel das Potential zur Ballkönigin oder ist es bloß ein Mauerblümchen?
Wenn man das Klischee des nerdigen Rollenspielers durchexerziert, sind die Teenager-Jahre eine besonders düstere Epoche im Leben der hypothetischen Person. Die Pubertät, ein sich verändernder Körper, Schule, Hormone und mangelnder sozialer Anschluss, all das sind die archetypischen Probleme, denen Heranwachsende sich stellen müssen.
Wenn man den Faden des Klischees weiterspinnt, erwächst im Geist des pubertierenden Vorzeige-Nerds irgendwann der Wunsch, all diesen Problemen in bester Superhelden-Manier zu begegnen. Was bedeuten schließlich Hausaufgaben für jemanden, der fliegen kann und Verbrecher mit seinem Eisatem lahmlegt?
Ob die Klischees zutreffen, sollten wohl alle Leser und Leserinnen mit sich selbst ausmachen. Die Idee von Teeny-Superhelden bleibt jedoch. Teen Titans, Young Justice, Runaways und Young Avengers, all diese Heldenteams haben einen festen Platz im Kosmos von Marvel bzw. DC und haben zum Teil sogar schon den Sprung in andere Medien geschafft.
Masks: A New Generation lässt sich als Rollenspiel von diesen Comics und Serien inspirieren und versucht, die typischen Probleme Heranwachsender mit der Superheldenthematik zu verbinden. Wir haben ein Team aus vier jungen Helden erstellt und sie in einem ersten Spieltest auf die Mission geschickt, die Stadt zu retten.
Inhaltsverzeichnis
- 2 Charaktererschaffung
- 3 Spielbericht
- 3.1 Inferno
- 3.2 Loa
- 3.3 Kit
- 3.4 Sonic Seducer
- 3.5 Die Geschichte
- 4 Spielbarkeit aus Spielleitersicht
- 5 Spielbarkeit aus Spielersicht
- 6 Bonus/Downloadcontent
- 7 Fazit
Die Spielwelt & Regeln
Halycon City, die Stadt, in der die Abenteuer der jungen Helden stattfinden, wird bewusst nicht allzu detailliert beschrieben. Festgelegt ist eigentlich nur, dass die Stadt größer als alle anderen Metropolen der Welt ist und dass sie bereits drei Generationen von Helden hat kommen und gehen sehen. Für die Bewohner sind maskierte Rächer und Schurken also relativ normal geworden.
Die Spielercharaktere sind Teil einer vierten Generation von Helden, die gerade die Bühne betritt. Sie sehen sich mit den verschiedensten Erwartungen konfrontiert und müssen ihren Platz in Halycon City finden. Dabei ist vom Spiel angedacht, dass das Team der jungen Superhelden zu Beginn weder geliebt noch gehasst oder gar verfolgt wird.
Masks ist ein Spiel, das das Label Powered by the Apocalypse trägt. Wie andere Systeme seiner Art nutzt es einen Probenmechanismus, bei dem zwei sechsseitige Würfel geworfen werden und ein Modifikator verrechnet wird. Alle Ergebnisse von 10 oder höher sind ein voller Erfolg, 7-9 bedeuten einen Erfolg mit gleichzeitiger Komplikation und alle Würfe, die sechs oder weniger ergeben, erlauben dem Spielleiter, eine meist üble Konsequenz ins Spiel zu bringen. Sollte so niedrig gewürfelt werden, erhält der Spieler zum Ausgleich aber auch Erfahrung außerhalb der Reihe.
Charaktererschaffung
Was Masks besonders macht, ist die Mechanik der Labels. Der Modifikator für die Würfe der Spielercharaktere ergibt sich aus fünf Werten, die sich im Bereich von -2 bis +3 bewegen. Im Gegensatz zu typischen Attributen handelt es sich aber nicht um tatsächliche Eigenschaften, sondern um Arten, wie der Charakter sich selbst wahrnimmt. Er kann sich als gefährlich, überlegen, gewöhnlich, heldenhaft oder freakig betrachten.
Die Werte sind nicht fix, sondern verändern sich im Laufe des Spiels immer wieder. Wird dem Helden etwa von einem Erwachsenen vorgehalten, dass er bei weitem nicht so klug ist, wie er vielleicht denkt, sondern lediglich ein normaler Teeny, dann sinkt sein Wert in Superior, während Mundane ansteigt. Alle Werte haben dabei gute und schlechte Seiten.
Die Charaktererschaffung erfolgt mithilfe von Archetypen, sogenannten Playbooks, von denen das Regelwerk zehn verschiedene enthält. Der Kern dieser Charaktervorlagen sind weniger Werte und Kräfte, sondern die Geschichten und Themen, die der Charakter in eine Kampagne einbringt. Wenn man die Möglichkeiten der Playbooks, den Charakter weiterzuentwickeln, betrachtet, wird schnell klar, dass Masks zwar Oneshots möglich macht, aber sein volles Potential erst in einer längeren Kampagne zeigt.
Spielbericht
Nachdem das Regelwerk gelesen und die Playbooks und einige Referenzbögen gedruckt waren, stand einem Test des Systems nichts mehr im Weg und vier Superhelden erblickten das Licht der Welt. Im gemeinsamen Gespräch wurde das Team der Freak Fource aus der Taufe gehoben. Da die einzelnen Playbooks auch Fragen über die Beziehungen zu anderen Teammitgliedern und die Entstehungsgeschichte des Teams enthalten, wird in Masks neben den Charakteren auch immer die Gruppe selbst erschaffen.
Diese vier Superhelden bilden die Freak Fource:
Inferno
Eve Sanders beherrscht die vier Elemente und kann extrem mächtige Effekte mit Hilfe von Erde, Wasser, Luft und Feuer erzeugen. Dummerweise hat die junge Asiatin Schwierigkeiten, ihre Fähigkeiten zu kontrollieren. Auf dem Playbook The Nova basierend, produziert sie schnell Kollateralschäden.
Loa
Niemand weiß, wie Loa wirklich heißt. Der dunkelhäutige Teenager ist von einer Aura der Geheimnisse umgeben. Er ist in der Lage, Erinnerungen zu manipulieren, psychische Konstrukte zu erzeugen und die Lebenskraft anderer zu absorbieren. Als The Doomed ist Loa dazu verdammt, früher oder später den Tod durch seine Nemesis, die Voodoo-Gottheit Baron Samedi, zu erleiden. Je näher er diesem dunklen Schicksal kommt, desto größer werden seine Fähigkeiten.
Kit
Fremdartig und wunderschön erscheint Areel Kriasztor‘llg, eine Außerirdische mit der Fähigkeit zu fliegen und ihre Gestalt auf irrwitzige Arten und Weisen zu verändern. Sie ist mit ihrem Raumschiff notgelandet und hat die Erde sehr zum Missfallen ihres eigenen Volkes zu ihrer neuen Heimat erkoren. Kits zugrunde liegendes Playbook ist The Outsider.
Sonic Seducer
Stephen Styles ist ein ewiger Rebell und Klassenclown. Er kontrolliert Emotionen und kann die Kräfte anderer Helden und Schurken negieren. Als The Delinquent ist er prädestiniert dafür, sich in moralischen Grauzonen zu bewegen und ständig seine Grenzen auszuloten. Obwohl er eine sarkastische Fassade aufrechterhält, liegt ihm das Team insgeheim am Herzen.
Das Team ist eher zufällig entstanden, als Kit, verfolgt von einem bösartigen Weltraum-Monster in Halycon City notlandete. Die jungen Superhelden vereinten spontan ihre Kräfte und besiegten das Ungeheuer. Im Verlauf des Kampfes wurde eine große Brücke zerstört und die Teens hielten einen erwachsenen Helden davon ab, einzugreifen.
Als die Medien im Nachgang von den Freak Four oder der Freak Force sprachen, entschlossen sich die vier ungewöhnlichen Superhelden kurzerhand, die beiden Namen zu Freak Fource zu verschmelzen und in Zukunft zusammenzuarbeiten.
Die Geschichte
Und hier beginnt unser Abenteuer: Die vier Heroen überraschen eines Nachts Blue Blaster, einen ehemaligen Helden, der mittlerweile als Söldner tätig ist, bei einem Einbruch in die Anlage der geheimnisvollen Future Tech Corporation. Nach einem kurzen Kampf ist der Schurke vertrieben.
Im Nachgang findet Kit mit Hilfe von außerirdischer Computertechnologie heraus, dass die Future Tech lediglich einen Deckmantel für die Stalwarts darstellt, eine Gruppierung mystischer Helden, die mächtige Relikte bewachen. Blue Blaster scheint hinter dem Blutkodex her gewesen zu sein, einem Buch voller böser Zauber. Loa sieht in einer Vision, dass kein Geringerer als Baron Samedi, sein Fluch und Erzfeind seine Finger nach dem Kodex ausstreckt.
Die Freak Fource entscheidet also, das Buch präventiv zu entwenden. Der Diebstahl gelingt, allerdings werden im Verlauf Schutzzeichen verwischt, die es dem Librarian, seines Zeichens Zauberer und unwissender Diener Baron Samedis, erlauben, sich an den Standort des Buches zu teleportieren.
Von der Macht des mystischen Bösewichts verunsichert und vom alarmierten Sicherheitspersonal umzingelt, fliehen die jungen Superhelden in Kits Schiff, das praktischerweise zwischen den Dimensionen reisen kann. Inferno und der Sonic Seducer decken den Rückzug, doch zu früh gefreut: Mühelos verfolgt der Librarian das Team durch die verschiedenen Realitätsebenen.
Loa entscheidet sich für einen anderen Ansatz und beginnt ein psychisches Duell mit dem Widersacher. Im Verlauf dieser mentalen Schlacht gelingt es ihm, dem Schurken klarzumachen, dass er lediglich eine Figur im Spiel der Voodoo-Gottheit gewesen ist. Der alte Mann wird von Reue und Scham überwältigt und lässt von den Helden ab.
Das Abenteuer endet mit dem Blutkodex, der seinen Platz in einem Regal in Loas Refugium findet. Die jungen Superhelden waren erfolgreich, aber am Horizont scheinen sich dunkle Wolken zusammenzubrauen…
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
Wer als Spielleiter keine Probleme damit hat, ausgiebig zu improvisieren, wird viel Spaß mit Masks haben. Wie viele pbta-Systeme setzt das Spiel auf den Grundsatz: Spiele, um herauszufinden, was passiert. Um ein Abenteuer zu leiten, ist vorab nur minimale Arbeit vonnöten. Es reicht völlig, einen Schurken mit sehr überschaubaren Werten zu generieren und eventuell einen Spielercharakter mit einem sogenannten Hook zu versehen.
Die Idee hinter diesem Spielleiterwerkzeug besteht darin, dem Charakter zwei der fünf Label zuzuordnen und im Abenteuer jedes Label durch einen NSC repräsentieren zu lassen. Der Nichtspielercharakter wird versuchen, den Helden in Richtung des jeweiligen Labels zu beeinflussen. Dadurch wird die Charakterentwicklung in ein simples, aber wirkungsvolles Gerüst verbaut.
Im Spiel selbst folgt der Spielleiter vor allem dem Weg, den die Würfel vorgeben. Niedrige Würfe bedeuten mehr Konsequenzen, also stärkere Eingriffe des Spielleiters. Wie bereits angesprochen, sollte man hier Spaß an der Improvisation haben. Wer auf minutiös vorbereitete Plots Wert legt, sollte die Finger von Maske und Cape lassen.
Wer neu hinter dem Spielleiterschirm ist, könnte sich an dieser Stelle eventuell überfordert fühlen. Das Regelwerk bietet jedoch ein ausgiebiges Kapitel, in dem das Leiten des Spiels behandelt wird, sowie ein eigenes Kapitel, in dem der Umgang mit den einzelnen Playbooks im Detail beschrieben wird. Ausreichende Hilfestellungen sind also vorhanden, vor allem, da Masks vorsieht, immer wieder Fragen an die Spieler zu stellen und ihre Antworten als Inspiration zu nutzen.
Was das Leiten von Masks zusätzlich angenehm gestaltet, ist die Tatsache, dass bei Nutzung der per Download verfügbaren Übersichtsblätter schon in der ersten Sitzung faktisch nicht mehr im Buch geblättert werden muss, um Regelfragen zu klären. Die wichtigen Spielzüge sind für Spieler und Spielleiter jederzeit direkt zugänglich.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Um den Eindruck meiner Spieler nach ihrem ersten Abenteuer in Halycon City einzufangen, hat Miguel, der Spieler von Loa einige Worte zu Masks geschrieben, die ich an dieser Stelle paraphrasiert wiedergeben möchte:
Die Spielwelt von Masks ist sehr interessant, da Superhelden in ihr so etwas Alltägliches darstellen. Die Charaktere sind zwar besonders, aber eben Teil einer großen Gruppe von Individuen mit Kräften, an die sich die einfachen Leute einfach gewöhnt haben.
Die Charaktererschaffung geht schnell von der Hand und verlangt vom Spieler, sich mit der Persönlichkeit des Charakters auseinanderzusetzen. Die Playbooks unterstützen diesen Prozess angenehm und stehen niemals im Weg, sondern lassen genug Raum für eigene Entscheidungen. Besonders positiv aufgefallen sind die Beziehungen der Charaktere, die während der Generierung bereits festgelegt werden.
Das Regelsystem ist angenehm simpel und leichtgängig. Der Probenmechanismus mit zwei sechsseitigen Würfeln ist direkt verinnerlicht. Die Mechanik der variablen Labels anstelle klassischer, statischer Attribute ist sehr innovativ und passt hervorragend in die Thematik.
Es bleibt zu hoffen, dass es nicht bei einem Abenteuer bleibt.
Die harten Fakten:
- Verlag: Magpie Games
- Autor(en): Brendan Conway
- Erscheinungsjahr: 2016
- Sprache: Englisch
- Format: PDF, Softcover, Hardcover
- Seitenanzahl: 208
- ISBN: –
- Preis: 12,13 EUR (PDF), 29,95 EUR (Softcover+PDF), 49,95 EUR (Hardcover+PDF)
- Bezugsquelle: Magpie Games, DriveThruRPG,Sphärenmeister
Bonus/Downloadcontent
Auf der Homepage des Verlags werden nicht nur die bereits erwähnten, sehr nützlichen Übersichtsblätter, sondern auch die kompletten Playbooks des Spiels kostenfrei zum Download angeboten. Hier können sich alle interessierten Leserinnen und Leser bereits einen Eindruck des stimmungsvollen Artworks im Comicstil machen.
Fazit
Masks: A New Generation ist nicht nur ein Rollenspiel über Superhelden in jungen Jahren. Es behandelt auch ganz normale Probleme, Abenteuer und Wunder des Heranwachsens. Wer seine Teenagerjahre nicht völlig verdrängt hat, wird sich selbst irgendwo in den archetypischen Playbooks wiederfinden. Die Charaktere definieren sich weniger durch ihre, zugegeben mitunter spektakulären, Kräfte, sondern durch ihre Probleme und potentiellen Geschichten.
In der Tradition von Apocalypse World setzt das Spiel auf einen schlanken Regelkern und minimale Vorbereitung von Seiten des Spielleiters. Improvisation bestimmt das Geschehen am Spieltisch. Im Geiste der Veränderungen, die typischerweise mit der Pubertät einhergehen, sind auch die Eigenschaften der jungen Helden ständig im Fluss. Die wichtigen Spielwerte verändern sich im Verlauf des Spiels immer wieder.
Unsere Gruppe hat mit der Charaktererschaffung und einem ersten Abenteuer in der Welt von Masks großen Spaß gehabt. Wir wollen versuchen, es nicht bloß bei einem einmaligen Abenteuer zu belassen, denn das System macht Lust auf mehr. Und erst in einer ausgewachsenen Kampagne lässt sich die Entwicklung der Charaktere zu reifen Erwachsenen wirklich erleben.
Wer Superhelden mag und sein Herz für die Wirrungen des Teeny-Dramas erwärmen kann, darf bei Masks bedenkenlos zuschlagen. Das Spiel weiß, was es will und setzt diese Idee konsequent und sehr gelungen um. Wer hingegen dem hohen Grad der Improvisation nichts abgewinnen kann und Teens in Capes albern findet, der muss sich anderweitig umsehen.
Alle anderen sollten so bald wie möglich ein Team gründen und den Schurken zeigen, wo der Hammer hängt. Halycon Citys Helden brauchen schließlich Nachwuchs!
Artikelbild: © Magpie Games, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.